Die Rezeption eines Textes ist ein komplexer Prozess. Um einem Text in seiner Vielschichtigkeit und Tiefgründigkeit gerecht zu werden, nähert man sich ihm am besten schrittweise an. Im Rahmen dieses Annäherungsprozesses wird man mehrfach zwischen dem Verständnis des Ganzen und der Analyse der einzelnen Teile hin- und herwechseln und dabei die Bedeutung immer weiter vertiefen. Diesen dialektischen Prozess nennt man den hermeneutischen Zirkel.
Annäherung in fünf Schritten

Primärliteratur
Jeden Tag erscheinen neue literarische Werke. Aus der Gesamtheit aller je publizierten Werke ragen einige heraus. Sie werden aus bestimmten Gründen als besonders wichtig oder pädagogisch wertvoll erachtet. Insbesondere am Gymnasium oder an der Hochschule hat sich im Lauf der Zeit eine Liste von Werken entwickelt, die als Pflichtlektüre angesehen werden. Auch in der Gesellschaft gibt es Werke, die man »gelesen haben muss«. Diese Pflichtlektüre nennt man den literarischen Kanon. Die Vorstellungen darüber, welche Werke zum Kanon gehören sollen, gehen auseinander und wandeln sich im Lauf der Zeit. In den letzten Jahrzehnten ist das Konzept des Kanons unter Druck gekommen, weil der soziale Konsens mehr und mehr einer pluralistischen Gesellschaft weicht. Wie das Konzept des Kanons setzt jenes des Literaturpreises voraus, dass es Werke gibt, die besonders wertvoll sind. Der namhafteste deutsche Literaturpreis ist der Georg-Büchner-Preis. Er wird alljährlich von der Deutschen Akademie für Sprache und Wissenschaft jener Person vergeben, die sich nach Ansicht der Jury auf dem Gebiet der Literatur besonders verdient gemacht hat. Namhafte Preisträger/innen sind etwa Ingeborg Bachmann, Friedrich Dürrenmatt oder Elfriede Jelinek. Gewissermaßen das Gegenteil des Literaturpreises ist die Zensur. In diktatorischen Gesellschaften wurde und wird sie angewendet, um eventuelle missliebige Inhalte noch vor der Publikation zu entfernen. Besonders ausgeprägt war die Zensur im deutschen Sprachraum etwa während des Vormärz (1830–1848), in der NS-Diktatur (1933–1945) oder in der DDR (1949–1989). Die Schriftstellerinnen und Schriftsteller versuchten die Zensur häufig zu umgehen, indem sie ihre Werke verschlüsselten, allegorisch verhüllten oder die Kritik in Andeutungen versteckten.»Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten.« (Karl Kraus)