Jugendsprache

Jugendsprache nennt man eine bei Jugendlichen verbreitete sprachliche Varietät, d.h. ein historisch wandelbares und geografisch bzw. sozial unterschiedlich ausgeprägtes Phänomen des charakteristischen Sprachgebrauchs jugendlicher Sprecher/innen. Auffällig ist dabei insbesondere die kreative, spielerisch provokative Verwendung des bestehenden Sprachmaterials, bei dem standardsprachliche Muster auf allen Ebenen bewusst verfremdet und weiterentwickelt werden.

Formale Merkmale

  • spezifischer Wortschatz, bestehende Wörter und Wendungen werden oft abgewandelt bzw. in ihrer Bedeutung verändert

eskalieren (über die Stränge schlagen) – Alter/Alte – abgehen – pumpen – chillig – hobbylos – Lachflash – Vollhorst – behindert () – hart/hert – fätze (z.B. Ich fätze i d’Schuel) – oha – wow (ironisch) – jo esch guet (ironisch) 

  • charakteristische Phraseologismen, d.h. feste Wortverbindungen

(ei) sorry aber – volle Kanne – sich etwas gönnen (= sich etwas genehmigen, oft ein süßes Nahrungsmittel) – ja voll – läuft bei dir – tschä bäse (hallo) – the struggle is real – alles klar (Wie geht’s bzw. Spinnst du?) – Schliifts? (Bist du verrückt?) – no offense – captain obvious – hängs mol (entspann dich) – es (voll) fühlen (enthusiastisch sein) – ich schwöre – schöner Moment (ironisch) – epic fail – too much information

  • Anglizismen, mit oder ohne Anpassung an deutsche Sprachstruktur

ohne Abänderung: gym – struggle – nice – alright – easy – safe – awkward – same – true – fake – random – crush – no offense – bitch – instafame – in your face
eingedeutscht: dissen (vgl. disrespect) – slayen – failen – checken – fooden – chillen – meeten – wortouten – hängen – Lamer – abgespacet – forever alone
deutsche bzw. dialektale Schreibung: senk you weri mötsch (thank you very much) – wau (wow) – oke (ok) – isi (easy)

  • Abkürzungen, besonders beliebt im Kontext der Kommunikation mit Kurznachrichten, die möglichst schnell und mit der eingeschränkten Tastatur der Smartphones geschrieben werden (SMS, WhatsApp, Instagram usw.)

smh (shaking my head = nein) – omg (o my God) – lol (laughing out loud) – lm(f)ao (laughing my [fucking] ass off) – wtf (what the fuck) – rip (rest in peace) – fml (fuck my life) – rofl (rolling on the floor laughing) – thx (thank) – Alk (= Alkohol)

Bestimmte Abkürzungen werden auch im mündlichen Sprachgebrauch verwendet (z.B. hip, omg, wtf) und in den Satzzusammenhang eingebunden, z.B. OMG, und das soll ich essen?

  • Solözismen, d.h. bewusste Abweichungen von der standardsprachlichen Syntax, oft ethnolektal inspiriert, d.h. als Nachahmung des »Balkan-Slangs« (»Kiez-Deutsch«)

I bims (Ich bin’s) – Chas git’s (Kann es geben) – Gömmer Mac? (Gehen wir in den Mac?) – S Beschte wos je hets gits (Das Beste, was es je gab) – Hesch mer Zigarett? (Hast du mir eine Zigarette?) – Ich bin gewese in Stube sitze – Protal diese Kind! – De isch Maschine – Tue mi nid produziere  – Dini Mueter! – Besch du spennsch (Bist du spinnst du? = Bist du verrückt?)

  • intertextueller Bezug (Zitate oder Anspielungen) zu medialen Phänomenen, z.B. Youtube, Serien, Instagram, Vine (Kurzvideos)

You better stop (Vine) – Bazinga! (Big Bang Theory) – Der Gerät (TV Total)

  • ausgeprägte Bildlichkeit, allegorische und metaphorische Begriffe

lmao (laughing my ass off) – rofl (rolling on the floor laughing) – Banane (Dummkopf) – lit (toll, eigentlich: erleuchtet) – dope (cool, eigentlich: Rauschgift) – in your face

  • häufige Wiederholung einzelner Füllwörter bzw. Heckenausdrücke, Wörter und Wendungen

Füllwörter: ja – halt – voll – eben – also – bö – so
Heckenausdrücke: ein wenig – eigentlich – und so – irgendwie – auf eine Art – oder so – vielleicht
Wörter: hart – easy – krass – nice – mega – oha – rip – huere
Wendungen: sorry aber

  • Verstärkungslexeme, d.h. Wörter, die zur Intensivierung und Steigerung der Aussage dienen

voll – krass – fett – mega – huere – abartig – grusig – easy – übelscht – extremscht – hert

  • Tendenz zur Hyperbel (Übertreibung)

Ich ben fascht gstorbe – Es hat mich fast vertetscht –  Ich hab’s dir 1000 mal gesagt – lol – dumm wie Brot

  • bewusste Abweichungen von der standardsprachlichen Aussprache oder Schreibung, oft vom Englischen inspiriert

Aussprache: o-ha
Schreibung: shreiben

  • ausgeprägte ironische, bisweilen sarkastische Dimension

Du bist so dumm – genious 

  • parodistischer, ironischer Rückbezug auf veraltete (jugensprachliche) Ausdrücke

läck Bobby – Ade merci – Lago mio – Gottfried Stutz

  • selbstverständlicher Wechsel zwischen deutschen und englischen Satzteilen (vergleichbar der Sprechweise zweisprachiger Menschen)

Es war voll creepy – Ich werde jetzt probably nie mehr home alone sein – Wir haben literally nichts gemacht. – Sie erinnert mich für some reason an diese bitch.

Besonderheiten

  • gruppenspezfische Ausprägungen, d.h. »die« Jugendsprache differenziert sich in zahlreiche unterschiedliche Varietäten

Gamer- oder Skatersprache, Memes, Vines, Serien (Big Bang Theory), 

  • Schnelllebigkeit der sprachlichen Entwicklungen (Trendwörter und Hypes können ebenso schnell auftauchen, wie sie wieder verschwinden)

bottleflip: kurzlebiger, durch ein Internetvideo ausgelöster Hype im Zusammenhang mit dem Spiel mit einer halb gefüllten Flasche, die so geworfen wird, dass sie einen Salto vollführt und richtig landet
planking: horizontal posen, d.h. sich in origineller Weise flach wie eine Planke auf etwas legen (und das entsprechende Foto ins Internet stellen)

Funktionen

  • Abgrenzung von der Standard- bzw. Erwachsenensprache (»Kontrasprache«, »Geheimsprache«)
  • Gruppenbildungsprozess, Abgrenzung von anderen Gruppen Jugendlicher
  • Suche nach eigener, individueller Identität
  • Suche nach neuen und besonderen Ausdrucksformen für die starken Gefühle, die charakteristisch sind für die Adoleszenz
  • Bezeichnung neuartiger Lebensformen und Phänomene

Caption: Bildunterschrift, Legende eines Instagram-Posts – Meme: