Komik

Das Symbol für die dramatische Kunst ist eine weinende und eine lachende Maske. Neben der Tragödie ist die Komödie entsprechend seit der Antike ein integraler Bestandteil der Dramatik. Und das Wesen der Dramatik ist die Komik. Diese entsteht, wenn die Erwartung des Publikums gebrochen wird …


Grundprinzip

Bruch der Erwartung

Das Grundprinzip der Komik im Allgemeinen ist simpel: Etwas geschieht, was im Kontext nicht erwartet wird. Im Alltag entsteht Komik dann, wenn der Rahmen des Erwartbaren gesprengt wird, wenn also etwas Unvorhergesehenes, Überraschendes, Absurdes oder Unangemessenes passiert. 

Mitten in einer Schulstunde fällt jemand vom Stuhl. Dieser Vorgang ist für sich betrachtet nicht witzig, weil er für die betroffene Person meist mit Schmerzen verbunden ist. Viele der Anwesenden werden diesen Vorfall aber komisch finden, weil der Sturz gegen die Erwartungen des Kontexts Schulstunde verstößt. Die Spannung entlädt sich – alle brechen in Lachen aus.

Damit Komik im Theater funktioniert, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein. Diese sollen nun anhand eines Mini-Drams von Mara Beutler exemplarisch dargestellt werden. 

Die unverstandene Frau

SOUFFLEUSE (flüsternd) Endlich ein Drama für mich allein.

 

Plötzlichkeit

Zunächst ist es notwendig, dass die Pointen plötzlich realisiert werden. Nicht nur müssen sie am richtigen Ort platziert sein, sie müssen auch zeitlich genau getimt sein, d.h. ein Witz vollzieht sich wie der Blitz. Darauf deutet auch der Wortsinn des Ausdrucks Pointe: Komik muss zugespitzt sein, auf den Punkt gebracht werden (franz. pointe = Spitze, Schärfe).

Beim Beispiel-Drama ist der Text selbstverständlich so kurz, dass sich das richtige Timing scheinbar von selbst ergibt. Gleichwohl hat die Autorin darauf geachtet, dass sich die Spannung ruckartig entlädt und der entscheidende Ausdruck »für mich allein« ganz am Ende steht. Der Titel baut eine gewisse Erwartungshaltung auf, die mit den letzten drei Worten jäh durchbrochen wird. 

 

Exitus felix

Neben der Abruptheit gehört zur dramatischen Pointe ein bestimmtes Maß an Harmlosigkeit. Komik – das Beispiel mit dem Sturz vom Stuhl hat es gezeigt – ist zwar immer mit einer Prise Schadenfreude versehen; irgendwo indessen kommt der Punkt, wo es nicht mehr lustig ist. Um also eine wahrhaft komische Wirkung zu erzielen, muss der Bühnenvorgang harmloser Natur sein. Niemand kommt in der Regel ernsthaft zu schaden kommen und das Stück mündet in ein exitus felix, also ein Happyend. Zwar gibt es auch den schwarzen Humor, wo diese Bedingung verletzt wird. Doch die konventionelle traditionelle Komik setzt darauf, dass sich auch vermeintlich ernsthafte Konflikte als Scheinkonflikte entpuppen.

Im Beispiel-Drama ist es so, dass sich hinter dem Schicksal der »unverstandenen Frau« eine Tragödie verbergen mag. In der vorliegenden Form wird diese aber bestenfalls angedeutet. Stattdessen kann die »Unverstandenheit« auch so gedeutet werden, dass die Souffleuse naturgemäß im Publikum nicht gehört wird, wenn sie ihre Aufgabe gut macht. Dann bedankt sie sich mit ihrem Satz dafür, dass endlich einmal ein Drama für sie geschaffen wurde.

Kontext

Komik braucht, um ihre volle Wirkung zu entfalten, den richtigen Kontext. Salopp gesagt: Nur wenn Komik draufsteht, ist auch Komik drin. Es muss aus dem Zusammenhang klar sein, dass die Bühnenhandlung komisch gemeint ist. Wenn etwas offiziell als »komisch« deklariert ist, wird das Publikum eher geneigt sein, darüber zu lachen. 

In unserem Beispiel-Drama besteht der Kontext im Wesentlichen darin, dass die Autorin das Stück eigens für den Sammelband «MiniDramen« verfasst hat. Viele der in dieser Anthologie publizierten Werke haben eine komische oder mindestens tragikomische Note.

Richtungen

Komische Erwartungsbrüche entsteht insbesondere dann, wenn das Verhalten der Hauptfigur bzw. mehrerer Figuren nicht dem Verhaltenskodex Ihrer sozialen Klasse entspricht. Wir sprechen in diesem Fall von der Komik der Herauf- bzw. Herabsetzung.

Komik der Heraufsetzung

Eine sozial niedrig gestellte Figur wird durch außergewöhnliche Umstände wie Verdienst, Glück oder Betrug in einen höheren Stand erhoben und versucht sich nun dort zurechtfinden. Dabei kann sie in mannigfaltige Verwicklungen geraten, weil sie nicht mit den Verhaltens- und Kommunikationsregeln der gehobenen Gesellschaftsschicht vertraut ist oder diese ablehnt.

So hat es beispielsweise einen komischen Effekt, wenn in Andreas Gryphius’ »Absurda Comica« der einfache Dorfschullehrer Peter Squenz am königlichen Hof vorspricht und sich vor den adeligen Häuptern als einer ihresgleichen ausgibt. 

Selbstverständlich kann mit der Komik auch eine sozialkritische Intention verbunden sein, indem die Aufsteiger die Doppelmoral der gehobenen Gesellschaft kritisieren oder ad absurdum führen.

Im Mini-Drama der »Unverstandenen Frau« liegt ebenfalls die Komik der Heraufsetzung vor. In diesem Fall ist das buchstäblich zu verstehen: Die Souffleuse, die traditionellerweise im Bühnenboden unterhalb der Schauspieler verborgen ist, findet sich plötzlich emporgehoben auf den Brettern, die die Welt bedeuten, mit einen Text, den sie ganz für »für [s]ich allen« beanspruchen kann. Auch hier kann man bei aller Komik eine sozialkritische Note erkennen.

 

Komik der Herabsetzung

Der König auf dem Klo – so kann die Komik der Herabsetzung bildlich dargestellt werden. Wie bei der Komik der Heraufsetzung entsteht die komische Wirkung hier durch die Konfrontation einer Figur mit einem ungewohnten sozialen Kontext. In diesem Fall handelt es sich um eine Figur aus einem höheren gesellschaftlichen Hierarchiestufe, die durch besondere Umstände in eine tiefere Gesellschaftsschicht geworfen wird. Auch hier ist es für das Publikum witzig mitansehen, wie sich die Figur mit den Verhaltens- und Komunikationsnormen auseinanderschlägt. 

In Brechts »Der gute Mensch von Sezuan« sind es drei Götter, die in Menschengestalt auf der Welt nach einem Beweis menschlicher Güte suchen. Schon in der ersten Szene entsteht eine komische Wirkung, wenn beschrieben wird, dass sie »kein Zeichen irgendeiner Beschäftigung« aufweisen, wenn sie vom vermeintlich ersten guten Menschen, den sie treffen, Wasserverkäufer Wang, betrogen werden, oder wenn sie nach einem anderen Nachtlager verlangen, weil sie sich »vor Spinnen doch ein wenig« ekeln.  

Arten

Situationskomik

Die komische Wirkung entspringt hier in erster Linie einer bestimmten, im Alltag ungewöhnlichen Situation. Diese wird künstlerisch so außergewöhnlich gestaltet, dass sie die Beteiligten vor bestimmte Probleme stellt. Dabei kann der Wissensstand bei den Figuren und beim Publikum unterschiedlich ausgeprägt sein. Oft hat das Publikum einen Wissensvorsprung, in diesem Zusammenhang spricht man auch von dramatischer Ironie. Andere beliebte Formen der Situationskomik sind etwa zurückzuführen auf räumliche Besonderheiten (z.B. ein Liebhaber im Schrank), auf Verwechslungen (z.B. ein Ring), auf absichtliche Täuschung (z.B. Hochstapler) oder auf die Verkettung überraschender Umstände (z.B. Lottogewinn).

In der »Unverstandenen Frau« liegt insofern Situationskomik vor, als die Souffleuse in einem traditionellen Theaterstück nicht sichtbar ist. Indem die Dramatikerin sie allein auf die Bühne stellt, schafft sie eine Situation, die an sich schon komisch ist. Die Souffleuse reklamiert dabei das Stück, in dem sie mitspielt, allein für sich – so wird die Situationskomik auf die Spitze getrieben. 

Sprachkomik

Die komische Wirkung entspringt hier in erster Linie der sprachlichen Ausdrucksweise. Sprachkomik entsteht also durch das witzige Spiel mit Worten im Haupt- und Nebentext. Beliebt sind dabei gewollte und ungewollte Wortspiele aller Art – etwa Doppeldeutigkeiten, Kalauer oder Verballhornungen – sowie ein unangemessener Sprachgebrauch, der sich z.B. in Beschimpfungen, der Verwendung von Dialektausdrücken oder geschraubten Formulierungen niederschlägt.

Das Mini-Drama der »Unverstandenen Frau« enthält auf engstem Raum einige feine sprachliche Pointen. So heißt es in der Regieanweisung, dass die Souffleuse ihren Satz flüstert. Das ist insofern komisch, als das Wort Souffleuse etymologisch abgeleitet ist von französisch flüstern, hauchen. Es handelt sich bei der flüsternden Souffleuse also um eine Tautologie. Ebenfalls witzig ist es, dass sie, weil sie flüstert, unverstanden bleibt. Das Wort unverstanden ist dabei doppeldeutig: Einerseits bedeutet es, dass sie akustisch nicht gehört wird (sie wird nicht verstanden vom Publikum); andererseits wird sie als Person zu wenig geschätzt.

Typenkomik

Die letzte Form der Komik ist zurückzuführen auf die Besonderheiten einer oder mehrerer der auftretenden Figuren. Im Zentrum stehen dabei in der Regel nicht Charaktere mit ihren individuellen, unverwechselbaren Eigenheiten, sondern vielmehr feste Typen, deren Verhalten nicht der Norm entspricht und das deshalb lächerlich oder komisch wirkt. Diese Typen sind meist bis zur Karikatur überzeichnet und repräsentieren auf diese Weise eine bestimme Gruppe von Menschen.

In der Theatertradition haben sich feste Figuren herausgebildet, so etwa im Kasperle-Theater oder in der commedia dell’arte. Beliebt ist insbesondere der komische Typus, der Spaßvogel, dessen Handlungsweise sich auffällig von seinem Umfeld abhebt und der somit freiwillig oder unfreiwillig komisch wirkt. 

In der »Unverstandenen Frau« ist ebenfalls Typenkomik angelegt, indem die Protagonistin stellvertretend für eine bestimmte Gruppe spricht, die abseits des Rampenlichts ihre Aufgabe versehen.