Theaterstücke sind anders strukturiert als epische Texte. Statt in Kapitel sind sie in Akte gegliedert, in klassischen Theaterstücken sind es deren fünf. Ursprünglich war es der Vorhang, der zu Beginn aufgezogen und am Ende des »Aufzugs« wieder gesenkt wurde. In der Folge hat sich das Verständnis dieser Teile zunehmend gelockert. Moderne Theaterstücke sind in »Bilder« bzw. »Szenen« geordnet oder verzichten ganz auf konventionelle dramatische Gliederungselemente …

Haupttext
Zum Haupttext eines Theaterstücks gehören alle Dialoge. Der Haupttext umfasst also alles, was bei einer Aufführung zu hören ist.
Pro- und Epilog
Ein Theaterstück kann – ebenso wie ein epischer Text – zu Beginn einen Prolog und am Ende einen Epilog enthalten. Es handelt sich dabei um eine Art dramatisches Vor- bzw. Nachwort. Die Figuren können sich darin häufig direkt ans Publikum, ad spectatores, wenden, um es zu begrüßen bzw. zu verabschieden, das Geschehen zu erläutern und zu kommentieren oder die Wirkungsabsicht des Autors darzulegen. Damit verweisen sie auf den antiken Chor, der im Parodos (Einzugslied) und Exodus (Auszugslied) ebenfalls Rahmeninformationen und Kommentare zum Stück abgeben kann. Beide, Prolog wie Epilog, sind in der Regel nicht Teil der eigentlichen Bühnenhandlung, sondern spielen auf einer Metaebene.
Aufzug und Auftritt bzw. Akt und Szene
Die Bühnenhandlung ist in wenige größere Teile gegliedert. Diese Teile nennt man seit dem 18. Jahrhundert »Aufzug«, eine Übersetzung des Ausdrucks Akt (franz. acte, lat. actus). Diese eingedeutschte Bezeichnung rührt daher, dass man zu Beginn des Stücks bzw. zu Beginn jedes Akts den Bühnenvorhang aufzog. Beendet wurde der Akt dann mit dem Verschließen des Vorhangs. Für die Gestaltung des Inhalts der einzelnen Aufzüge bzw. Akte gab es in der Vergangenheit konkrete Vorgaben. So ist der fünfteilige Spannungsaufbau (1. Exposition, 2. erregendes Moment, 3. Höhepunkt und Peripetie, 4. retardierendes Moment, 5. Katastrophe) während des 18. und 19. Jahrhunderts ein dominierendes Ordnungsprinzip.
Tritt eine neue Figur auf die Bühne oder geht sie ab, beginnt ein neuer Auftritt. Ein Auftritt muss also nicht unbedingt eine größere Sinneinheit darstellen, wie es in der Epik ein Kapitel bzw. ein Abschnitt darstellt. Er wird vielmehr definiert durch eine personelle Veränderung auf der Bühne, den Auf- oder Abtritt einer Figur. Für rangniedrige Figuren (Hausangestellte, Diener, Mägde usw.) kann diese Regelung außer Kraft gesetzt werden. Statt des Ausdrucks Auftritt wird auch der Ausdruck Szene verwendet.
Aufzüge sind in Auftritte gegliedert, Akte in Szenen.
Auf Aufzüge bzw. Akte verweist man mit römischen Ziffern, auf Auftritte bzw. Szenen mit arabischen. Die erste Szene des vierten Aktes heißt also abgekürzt IV.1
In moderneren Stücken, spätestens ab dem 20. Jahrhundert, ist die Abgrenzung von Aufzügen und Auftritten bzw. Akten und Szenen mehr und mehr hinfällig geworden. Viele moderne Stücke begnügen sich mit einem einzigen Gliederungselement, das entweder Bild oder Szene genannt werden kann.
Nebentext
Zum Nebentext gehören alle anderen Elemente eines Theaterstücks.
Der Titel nennt oft die Hauptfigur. Im folgenden Untertitel kann die theatralische Form angegeben werden:
Faust. Der Tragödie erster Teil
Emilia Galotti. Ein Trauerspiel
Minna von Barnhelm. Lustspiel
Der Besuch der alten Dame. Tragische Komödie
Dramatis personae
Unmittelbar nach dem Titelblatt folgt meist das Figurenverzeichnis, dramatis personae (»die Personen des Dramas«). Es enthält die Namen der einzelnen Figuren sowie Angaben zu ihrer Funktion, ihrem Beruf, ihrer gesellschaftlichen Stellung und zu sonstigen Besonderheiten (Aussehen, Verhalten, Alter usw.). Die Figuren werden absatzweise voneinander aufgeführt. In älteren Dramen bis zum 18. Jahrhundert waren sie gemäß ihrer gesellschaftlichen Stellung angeordnet, d.h. die Könige und Fürsten zuoberst, namenlose Bedienstete zuunterst. Heute ist es oft eine innere Ordnung oder die Reihenfolge des Erscheinens auf der Bühne.
Regieanweisungen
Die nach dem Figurenverzeichnis folgenden Regie- oder Bühnenanweisungen enthalten Informationen zum Ort und zur Zeit des Geschehens. So heißt es etwa in Friedrich Dürrenmatts Besuch der alten Dame:
Ort: Güllen, eine Kleinstadt
Zeit: GegenwartPause nach dem zweiten Akt
Danach folgen in der Regel die einleitenden Regieanweisungen, einerseits zum Schauplatz des folgenden Akts, andererseits zu einzelnen Figuren, zu ihrem Charakter und/oder zu ihrem Aussehen. Erstere sind in erster Linie für Bühnenbildner/innen relevant, letztere für Kostümbildner/innen. In Dürrenmatts Tragikomödie sieht die einleitende Regieanweisung folgendermaßen aus:
Erster Akt
Glockenton eines Bahnhofs, bevor der Vorhang aufgeht. Dann die Inschrift: Güllen. Offenbar der Name der kleinen Stadt, di im Hintergrund angedeutet ist, ruiniert, zerfallen. Auch das Bahnhofgebäude verwahrlost, je nach Land mit oder ohne Absperrung, eine halbzerrissener Fahrplan an der Mauer, ein verrostetes Stellwerk, eine Tür mit der Aufschrift: Eintritt verboten. Dann, in der Mitte, die erbärmliche Bahnhofstraße. Auch sie nur angedeutet: Links ein kleines Häuschen, kahl, Ziegeldach, zerfetzte Plakate an der fensterlosen Mauer. Links Tafel: Frauen, rechts: Männer. Alles in eine heiße Herbstsonne getaucht. Vor dem Häuschen eine Bank, auf ihr vier Männer. Ein fünfter, aufs Unbeschreiblichste verwahrlost, wie die andern, beschreibt ein Transparent mit roter Farbe, offenbar für einen Umzug: Willkommen Kläri. Das donnernde, stampfende Geräusch eines vorbeirasenden Schnellzuges. Vor dem Bahnhof der Bahnhofsvorstand salutierend. Die Männer auf der Bank deuten mit einer Kopfbewegung von links nach rechts an, dass sie den vorbeitragenden Express verfolgen.
Regieanweisungen geben also an, wie das Stück inszeniert werden soll bzw. wie Lesende sich das Stück vorstellen sollen. Es sind also, wie der Name sagt, Anweisungen an die Regie und alle anderen an einer Inszenierung Beteiligten.
Diese Anweisungen kommen in der Inszenierung nicht explizit vor, sondern müssen in ein anderes System »übersetzt« werden. Sie werden deshalb auch vom Haupttext der Dialoge mit einer anderen Schrifttype, meist Kursiv, abgegrenzt.
Neben den einleitenden Regieanweisungen zum Schauplatz und zu den Figuren gibt es solche, die den Haupttext unterbrechen. Sie können folgende Informationen zu den Figuren bzw. ihren Dialogen enthalten:
- Sprechweise: z.B. schreien, flüstern, stocken
- Begleiterscheinungen des Sprechens: z.B. seufzen, röcheln
- Mimik, Gestik: z.B. Achsel zucken, fuchteln
- Gefühl: z.B. eifersüchtig, freudig
- Verhalten: z.B. den Dolch verstecken, ohnmächtig werden
- Kostüm: z.B. schmuddelig wirken, Krawatte ausziehen
Über die Dialoge der einzelnen Schauspieler hinaus geben Regieanweisungen aber auch Hinweise zum ganzen Bühnengeschehen bzw. zu entsprechenden Veränderungen:
- Licht: z.B. heller werden, blitzen
- Musik: z.B. Song einspielen, Lied singen
- Ton: z.B. Zugsgeräusch, Kirchenglocken
- Atmosphäre: z.B. düster werden, eisige Stille
- Erklärung, Kommentar: z.B. Wirkungsabsicht erklären, Moral erläutern
- Umsetzungsvorschlag: z.B. Bühnentrick
Die Regieanweisungen haben sich im Lauf der Theatergeschichte stark entwickelt. Von antiken Stücken sind nur die Dialoge überliefert; Sprecherangaben und Regieanweisungen sind nicht vorhanden. Erst im Lauf des 18. und 19. Jahrhunderts etabliert sich der Nebentext mit den immer ausführlicher werdenden Regieanweisungen. Ihre Blütezeit erleben die Regieanweisungen im naturalistischen Drama, wo sie z.T. fast so ausführlich sind wie die Dialoge. In der Folge verlieren Regieanweisungen ihre bevorzugte Stellung. In modernen Stücken können sie auch ganz fehlen. So schreibt etwa Elfriede Jelinek zu Beginn ihres Sportstücks:
Die Autorin gibt nicht viele Anweisungen, das hat sie inzwischen gelernt. Machen Sie, was sie wollen.