Antikes Theater

Antikes Theater

Ursprünge

Die Ursprünge des abendländischen Theaters liegen im antiken Griechenland. Entstanden ist das Theater aus dem Dionysoskult, aus der rituellen Verehrung von Dionysos, dem Gott des Weines und des Rausches. Überliefert sind Darstellungen, in denen ein Chor mit Bocksmasken dem Gott huldigt.

Von hier leitet sich auch das Wort Tragödie ab: tragos bedeutet Bock und ode Gesang. Die Tragödie und damit das Theater hat ihre Wurzel also im Bocksgesang, in kultischen Handlungen zu Ehren des Bock-Gottes Dionysos.

Im Rahmen des sechstägigen Dionysosfests etabliert sich eine Vorform des Theaters in Form eines Chors, der rituelle Tänze und Gesänge aufführt. Erst im 6. Jahrhundert v. Chr. fügt der Dichter Thespis (534 v. Chr.) dem Chor dann einen Schauspieler hinzu. Dieser Schauspieler interagiert noch nicht mit anderen Figuren, sondern stellt die Handlung in Form eines Monologs dar, der meist in einem Botenbericht besteht. Mit dem zweiten Schauspieler, den Aischylos (525/524–556/557 v. Chr.) einführt, wird der dramatische Dialog geboren. Nun stehen sich zwischen den Chorliedern zwei Figuren gegenüber und können die dramatische Handlung entfalten. Noch dynamischer wird die Ausgangslage, als Sophokles (um 496–um 406 v.Chr.) seinen Stücken einen dritten Schauspieler hinzufügt.

In der Folge wird der Chor mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Statt aktiv in die Handlung einzugreifen, beschränkt sich der Chor fortan darauf, das Geschehen zu erklären, zu interpretieren oder zu werten. So gehört die Bühne nun in zunehmendem Maße den Schauspieler/innen.

 

Chor

Der Chor im antiken Theater ist eine Gruppe gleichartiger Personen, die als Einheit auftreten und mit einer Stimme sprechen bzw. singen. Sie stehen stellvertretend für das Publikum und bilden eine Art idealisierten Zuschauer.

So stehen sie der dramatischen Handlung mit einer gewissen Distanz gegenüber und sind fähig, das Geschehen zu betrachten, zu erklären, zu deuten und zu werten. In dieser Form können sie auch das Sprachrohr des Autors sein, der sie seine eigenen Werturteile aussprechen lässt. In dieser vermittelnden Funktion ist der antike Chor der auktorialen Erzählinstanz verwandt, die sich in der Epik etablieren wird. Darüber hinaus kann der Chor in den dramatischen Teilen auch mit den Schauspielern interagieren.

  • betrachten:  »Da bringen sie ihn, den göttlichen Seher.« (V. 298) Der Chor spricht aus, was er sieht:
  • erklären: »Unzählbar, was in der Stadt [Theben] zugrunde geht.« (V. 179) Der Chor erläutert, dass in Theben eine Krankheit wütet.
  • deuten: »So wird denn ein sterblicher Mensch […] niemanden je glücklich preisen, bevor er / Sein Leben nicht zu Ende gelebt hat, ohne Leid zu erfahren.« Der Chor interpretiert Ödipus’ Schicksal als Warnung an die Menschen, dass sie ihr Glück nicht als selbstverständlich hinnehmen sollen.
  • werten: »Es schwindet das Göttliche.« (V. 910) Der Chor mahnt daran, die göttlichen Orakel zu beachten.
  • interagieren: »Um die Sache zu ergründen, fände man bei ihm [Theiresias] die sicherste Auskunft. (V. 285f.) Der Chor nennt Ödipus einen Gewährsmann.

Zu Beginn des Stücks, nach dem Prolog, tritt der Chor in feierlichem Tanz auf die Bühne. Dieses Einzugslied nennt man Parodos. Das Gegenstück dazu, das Schlusslied des Chors, mit dem er die Bühne wieder im Tanzschritt verlässt, nennt man Exodus. Dazwischen unterbricht der Chor die dramatische Handlung der Schauspieler mit Standliedern (Stasimon), in denen er das Geschehen reflektiert und in größere Zusammenhänge rückt. In den Episoden (Epeisodion) ist der Chor im Hintergrund, kann aber bisweilen mit den Schauspielern in Dialog treten.

 

Theaterform

In den dreitägigen Dionysien, den dramatischen Dichterwettkämpfen in der zweite Hälfte des Monats März, wurden an jedem der drei Tage eine Tetralogie aufgeführt. Eine Tetralogie umfasst drei Tragödien sowie eine Komödie, ein Satyrspiel. Inszeniert wurden die Stücke von den Dichtern selbst – dies im Unterschied zu heute, wo die Aufgabe von der Regisseurin bzw. dem Regisseur übernommen wird. Ein Schiedsgericht erkannte dem besten Dramatiker den 1. Preis zu.

Das antike Schauspiel weisen gegenüber jenen in der Gegenwart drei bedeutende Unterschiede auf: Zunächst sind auf der Bühne ausschließlich Männer zu sehen. Auch Frauenrollen werden also durch männliche Schauspieler verkörpert. Möglich wird dies insbesondere dadurch, dass die Schauspieler für die Verkörperung ihrer Rolle Masken tragen. Deren Gesichtsausdruck ist zwar statisch, aber von so extremer Ausdruckskraft, dass die Wirkung des Schauspiels gesteigert wird. Dieselbe Wirkungsabsicht ist verantwortlich für den dritten Unterschied: Die Schauspieler stehen auf hohen Plateau-Schuhen, sogenannten Kothurnen. Auf diese Weise wird nicht nur ihre Sichtbarkeit erhöht, auch die ganze Figur erscheint dadurch größer und eindrücklicher.