Expressionismus (1910-1923)

Die Steine feinden
Fenster grinst Verrat
Äste würgen
Berge Sträucher blättern raschlig
Gellen
Tod.

August Stramm: »Patrouille« (Gedicht, 1919)

Der Expressionismus ist eine jugendliche Protestbewegung gegen die erstarrten Konventionen der wilhelminischen Väter-Generation und die inhaltsleere, gekünstelte Geheimniskrämerei, wie sie von den Symbolisten gepflegt wird. Das gesteigerte Ausdrucksbedürfnis sucht nach neuen Formen und erzielt so eine schockartige Wirkung beim Publikum.

Epochenbegriff

Der Begriff führt zurück auf das lateinische Verb expremere, das »ausdrücken« bedeutet und sich zusammensetzt aus ex »(her)aus« und premere »drücken, pressen«. Zum ersten Mal wird der Ausdruck Expressionismus 1911 für Werke der bildenden Kunst verwendet, und zwar zur Bezeichnung der anti-naturalistischen Maler Braque und Picasso, die an der Berliner Secessions-Ausstellung teilnehmen. Der Schriftsteller Kurt Hiller überträgt den Begriff in der Folge auf die Literatur, weil er im übersteigerten Ausdruckswillen eine Gemeinsamkeit sieht.

Zeitgeschichte

Die Nervosität in Europa steigt weiter: Das von Wilhelm II. initiierte Wettrüsten intensiviert sich, obschon es seit Langem keinen Krieg der Großmächte mehr gegeben hat. Die Großstädte wachsen, während die Arbeitslosigkeit zunimmt. Erklärte Fortschrittsoptimisten stehen Weltuntergangspropheten gegenüber, die im Halleyschen Kometen 1910 und im Untergang der Titanic 1912 deutliche Zeichen für das nahende Ende sehen. Die Fronten zwischen links und rechts verschärfen sich, die politischen und militärischen Spannungen auf dem Balkan nehmen zu.

In dieser aufgeladenen Atmosphäre genügt eine Funke, um das Pulverfass zum Explodieren zu bringen. Das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin 1914 in Sarajewo sind Anlass für eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Österreich-Ungarn und Serbien, die sich infolge verschiedener Bündnisverpflichtungen zum Weltkrieg ausweitet. Die kollektive Euphorie der in ›Nibelungentreue‹ verbündeten Staaten Deutschland und Österreich ist groß. Die allgemeine Euphorie lässt aber schon nach wenigen Wochen nach und schlägt in illusionslose Ernüchterung um. Die Mittelmächte werden zerrieben in ebenjenem Zweifronten-Krieg zwischen Frankreich und Russland, den sie verhindern wollten.

Zum ersten Mal wird ein Krieg mit industriellen Massenvernichtungswaffen ausgetragen. Die Folge ist ein noch nie dagewesenes Maß an Brutalität und Zerstörung, 10 Millionen Tote und 20 Millionen Verwundete. Es handelt sich um die Traumatisierung einer ganzen Generation. Kurz vor Kriegsende bricht unter den deutschen Matrosen, die zu einem sinnlosen letzten Gefecht auslaufen sollen, eine Meuterei aus. Es kommt zur Novemberrevolution. Der Kaiser und alle Fürsten müssen abdanken. Wilhelm II. wird ins Exil nach Holland gezwungen. In Deutschland wird eine Republik ausgerufen.

Literaturepoche

Weder auf Technik noch auf Stil kommt es an. [...] Wir sind Expressionisten. Es kommt uns wieder auf den Gehalt, das Wollen, das Ethos an.

Dies schreibt Kurt Hiller programmatisch 1913. Gegen die inhaltsarmen Kunstgebilde des Symbolismus führt er das aufgestaute Ausdrucksbedürfnis ins Feld. Dieses will sich nicht an Regeln halten und sich in roher, ungebändigter Form Raum schaffen. »Form will mich verschnüren und verengen, / Doch ich will mein Sein in alle Weiten drängen –«, dichtet der Lyriker Ernst Stadler. Das einengende Korsett, das hier gesprengt werden soll, ist nicht nur formaler Art, sondern betrifft auch die starren Konventionen in der Gesellschaft des Wilhelminischen Zeitalters. Gegen die Untertanenmentalität der auf den Kaiser eingeschworenen Spießbürger propagieren die Expressionisten pathetisch den ›neuen Menschen‹. 

Versuche, diesen und damit die Expressionisten einheitlich zu bestimmen, scheitern. Gemeinsam ist allen expressionistischen Manifesten und Bewegungen lediglich, dass sie sich gegen die herrschende Kunst und Kultur wenden. Oft werden auch Erfahrungen der modernen Grossstadt thematisiert. Dabei wenden die Autor/innen insbesondere in der Lyrik das Mittel der kalkulierten Schockwirkung an. Die Rezeptionsgewohnheiten des an Kitsch gewöhnten Publikums sollen durchbrochen werden, die traditionellen Formen werden ebenso gesprengt wie die Syntax der Sprache. Gegen die »deutsche Einheitsedelsprache« (Kurt Hiller) kommt es zu Wortneuschöpfungen (Neologismen) und kühnen Bildern.

Die Aufbruchsstimmung des Frühexpressionismus (1910-1914) wird durch den Beginn des 1. Weltkriegs jäh unterbrochen. Nicht nur werden zahlreiche Dichter eingezogen und getötet. Die Kriegserlebnisse bleiben auch nicht ohne Spuren in der Dichtung. Ein eindrückliches Beispiel für den Kriegsexpressionismus (1914-1918) ist Trakls letztes Gedicht »Grodek«, in dem er seine traumatischen Erfahrungen in und nach der blutigen Schlacht bei Grodek in Galizien verarbeitet. So steht der Spätexpressionismus (1918-1923) ganz im Zeichen der Ernüchterung und des Pazifismus.

Während der Expressionismus mit Trakl, Else Lasker-Schüler, Gottfried Benn und Georg Heym in der Lyrik seine nachhaltigsten Wirkungen erzielt, bleibt er im Drama eher ein kurzlebiges Phänomen. Von den recht erfolgreichen Auflehnungsdramen Georg Kaisers, Ernst Tollers und Carl Sternheims werden die wenigsten heute noch gespielt. Folgenreicher ist der Expressionismus in der Epik: Mit Franz Kafka, Alfred Döblin, Heinrich und Thomas Mann treten allerdings Autoren ans Licht, die sich nicht auf ein expressionistisches Programm reduzieren lassen.

Als Gegenbewegung zum Expressionismus formiert sich ab 1916 von Zürich ausgehend die Dada-Bewegung. Mit gezielten Provokationen, etwa Lautgedichten und Nonsens-Poesie, macht sie sich über den Pathos (Feierlichkeit) der Expressionisten ebenso lustig wie über sich selbst. Mit dem Verschwinden des Expressionismus nach 1923 flacht auch ihre Wirkung ab getreu dem ironischen Motto: »Die echten Werke DADAs dürfen höchstens sechs Stunden leben.«

Merkmale

Form

  • Genres
    • Lyrik
    • Dramen
  • pathetische Sprache
  • Verletzung herkömmlicher Formen bei der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten: Verfremdung und Verzerrung
  • gezielte Schockwirkung und Provokation angestrebt: Ästhetik des Hässlichen
  • Syntax: Zertrümmerung traditioneller Formen

Inhalt

  • Endzeitstimmung, unbestimmte Erwartung, z.B. Warten auf gewaltsame Lösung
  • Auflehnung gegen die starren Konventionen der wilhelminischen Gesellschaft
  • (Kultur)revolutionärer Gestus: Suche nach dem ›neuen Menschen‹
  • Ausdruck extremer Gefühle (Schrei) statt Wiedergabe von Äusserlichkeiten
  • übertriebene Darstellung des modernen Großstadtlebens

Epochenübergang

Im Gegensatz zum Symbolismus stellt der Expressionismus den Inhalt über die Form. Statt der klassizistischen Vervollkommnung herkömmlicher Formen werden neue Ausdrucksformen gesucht. Die Rebellion gegen die Tradition und die Autorität steht im Zentrum.

Wie im Naturalismus wird die Literatur des Expressionismus wieder zu einem sozialkritischen Medium. Das Hässliche wird dabei ebenfalls nicht gescheut, sondern im Gegenteil genüsslich ins Rampenlicht gestellt. Im Gegensatz zum Naturalismus beschränkt sich der Expressionismus aber nicht auf die blosse Abbildung des Realen, sondern überhöht diese Realität in der subjektiven, ausdrucksstarken Wiedergabe.

Merkwürdiges

»Ich meine, keine Zeit war bis auf den Tag so inhaltslos wie diese«, beschreibt der Lyriker Georg Heym die Befindlichkeit drei Jahre vor dem Weltkrieg.

Es ist immer das Gleiche, so langweilig, langweilig, langweilig. Es geschieht nichts, nichts, nichts. Wenn doch einmal etwas geschehen wollte, was nicht diesen faden Geschmack von Alltäglichkeit hinterlässt. […] [S]ei es auch nur, dass man einen Krieg begänne, er kann ungerecht sein. Dieser Frieden ist so faul, ölig und schmierig wie eine Leimpolitur auf alten Möbeln.

In diesen Zeilen zeigt sich der Ekel vor der dekadenten Gegenwart ebenso deutlich wie die Hoffnung auf eine Apokalypse. Wie naiv diese Vorstellung eines erlösenden Krieges ist, muss Heym nicht mehr erfahren. Er stirbt – als einer der wenigen Expressionisten – schon vor Kriegsausbrauch: Er ertrinkt beim Eislaufen in der Havel bei Berlin.

Einiges nüchterner kommentiert der Prager Autor Franz Kafka am 2. August 1914 den Kriegsausbruch: »Deutschland hat Russland den Krieg erklärt – nachmittags Schwimmschule.« Schon einen Tag später sieht der Romancier Marcel Proust an der Pariser Gare de l’Est vorausahnend »Millionen von Männern auf dem Weg, massakriert zu werden in einem Weltkrieg wie bei Wells«. Die ›Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts‹ nimmt ihren Lauf.

Autor: Franz Kafka

1883-1924, Prag, Tschechien

Werke

  • »Die Verwandlung« (Erzählung, 1912)
  • »Ein Landarzt« (Erzählungen, 1918)
  • »Der Process« (Roman, posthum 1925)
  • »Das Schloss« (Roman, posthum 1926)
  • »Der Verschollene« (Roman, posthum 1927)

Leben

Franz Kafka wird 1883 als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Prag geboren. In seiner Jugend leidet er sehr unter seinem autoritären Vater. Ab 1901 studiert er in Prag Jura und promoviert 1906. Nach einem Gerichtspraktikum arbeitet er ab 1908 als Versicherungsjurist bei der Arbeiter-Unfall-Versicherung. Der Dienst ist »kläglich leicht« (»ich weiß nicht wofür ich das Geld bekomme«) und lässt ihm während der zweiten Tageshälfte genügend Zeit zum Schreiben. 1913 erscheinen seine ersten Kurzgeschichten und Erzählungen. 1914 kommt erst zur Ver- und Entlobung von Felice Bauer, ein Vorgang, der sich drei Jahre später wiederholt. 1917 wird bei Kafka Tuberkulose diagnostiziert, in der Folge verschlechtert sich sein Gesundheitszustand. Dies führt 1922 zu seiner vorzeitigen Pensionierung. 1923 übersiedelt er nach Berlin zur Künstlerin Dora Diamant. Während eines Kuraufenthalts ein Jahr später erliegt er seiner Krankheit. Zu dieser Zeit ist der Autor nur einem kleinen Kreis bekannt. Dies ändert sich, als sein Freund und Förderer Max Brod posthum die drei Romane und zahlreiche weitere Prosa-Texte veröffentlicht. Kafka hat ihm in seinem Testament aufgetragen, alle seine unveröffentlichten Texte »am liebsten ungelesen« und »ausnahmslos zu verbrennen«. Kafka lässt sich nicht in eine literarische Schule einordnen, zeigt aber auffällige Parallelen zum Expressionismus.

Werk: »Die Verwandlung« (Erzählung, 1912)

Gregor Samsa ist ein junger Handlungsreisender, der noch bei seinen Eltern lebt und diese finanziell unterstützt. Eines Morgens findet er sich aufwachend in einen gewaltigen Käfer verwandelt. Als sein Vorgesetzter sich nach seinem Verbleib erkundigt, löst Gregors Erscheinung Entsetzen bei allen Anwesenden aus. Zunächst hält seine Familie, insbesondere seine Schwester Grete, zu ihm. Mit der Zeit aber fällt er ihnen zur Last und sie fangen an, ihn zu vernachlässigen. Einsam, sprachlos und geschwächt durch eine Verletzung, die ihm sein Vater im Affekt zugefügt hat, verhungert er in einer Ecke seines Zimmers. Die Familie ist froh, sich des Ungeziefers entledigt zu haben.

Textstelle I

Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. [1] Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen. »Was ist mit mir geschehen?«, dachte er. Es war kein Traum. [2] Sein Zimmer, ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier wohlbekannten Wänden. [3] Über dem Tisch, auf dem eine auseinandergepackte Musterkollektion von Tuchwaren ausgebreitet war – Samsa war Reisender [4] – hing das Bild, das er vor kurzem aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hübschen, vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. [5] Es stellte eine Dame dar, die mit einem Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasaß und einen schweren Pelzmuff, in dem ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem Beschauer entgegenhob. [6]

  1. Greogor Samsas innere Befindlichkeit – er fühlt sich wie ein Ungeziefer in der menschlichen und familiären Gemeinschaft – wird hier in übertriebener Form  ins Äussere, Sichtbare übersetzt.
  2. Durch die Projektion des Inneren ins Äussere wird das traumartige Geschehen als real erlebt.
  3. Charakteristisch für den Expressionismus ist die verzerrte räumliche Wahrnehmung, die sich hier in der Darstellung der Raumverhältnisse ausdrückt. Insbesondere bei Kafka sind die Räume immer zu klein oder zu groß.
  4. Der auktoriale Erzähler schaltet sich nur kurz ein – der Rest der Novelle ist personal gehalten, indem sie Gregors subjektive Sicht wiedergibt.
  5. In der Stelle kann man einen Verweis auf die Publikationsorgane der Expressionisten erkennen, die ihre Texte entweder in literarischen oder allgemeinen Zeitschriften veröffentlichen.
  6. Hier handelt es sich um einen versteckten intertextuellen Hinweis auf den Roman »Venus im Pelz« von Leopold von Sacher-Masoch (1870), jenem Autor also, der dem Masochismus seinen Namen gab. Dessen Protagonist heißt ebenfalls Gregor und durchlebt eine ähnliche Erniedrigung zum »Sklaven«, die allerdings als lustvoll dargestellt wird.

Textstelle II

[Der Vater bestraft Gregor dafür, dass er die Mutter erschreckt hat:] Nun aber war er recht gut aufgerichtet […] und ging, die Enden seines langen Uniformrockes zurückgeschlagen, die Hände in den Hosentaschen, mit vebissenem Gesicht auf Gregor zu. [1] Er wusste wohl selbst nicht, was er vor hatte; immerhin hob er die Füße ungewöhnlich hoch, und Gregor staunte über die Riesengröße seiner Stiefelsohlen. [2] Doch hielt er sich dabei nicht auf, er wusste ja noch vom ersten Tage seines neuen Lebens her, dass der Vater ihm gegenüber nur die größte Strenge für angebracht ansah. [3] Und so lief er vor dem Vater her […] Als er nun so dahintorkelte […] und fast schon vergessen hatte, dass ihm die Wände freistanden, die hier allerdings mit sorgfältig geschnitzten Möbeln voll Zacken und Spitzen verstellt waren [4] – da flog knapp neben ihm, leicht geschleudert, irgend etwas nieder und rollte vor ihm her. Es war ein Apfel; gleich flog ihm ein zweiter nach [5]; Gregor blieb vor Schrecken stehen; ein Weiterlaufen war nutzlos, denn der Vater hatte sich entschlossen, ihn zu bombardieren. [6]

  1. Der Vater macht die »Verwandlung« des Sohnes in umgekehrter Richtung durch: Während der Sohn zum Käfer mutiert, bekommt der Vater etwas Herrisches.
  2. Die reale Hierarchie wird hier, typisch für den Expressionismus, ins Groteske gesteigert.
  3. Die Generation der Söhne fühlt sich unverstanden von ihren Vätern, die von ihnen Untertanenmentalität und militärischen Gehorsam fordern.
  4. Abermals zeigt sich die verzerrte räumliche Wahrnehmung, die das Subjektive ins Objektive, das Innere ins Sichtbare übersetzt.
  5. Biblische Verweise, hier auf den Apfel der Erkenntnis, sind typisch für den expressionistischen Pathos. Ein Apfel, der Gregors Panzer durchbricht, fügt ihm eine »schwere Verwundung« zu.
  6. Der Anwendung eines Ausdrucks aus dem Kriegswesen auf eine familiäre Angelegenheit zeigt die Militarisierung der Gesellschaft.

Textstelle III

Das [so spät aufzustehen] sollte ich bei meinem Chef versuchen; ich würde auf der Stelle hinausfliegen. Wer weiß übrigens, ob das nicht sehr gut für mich wäre. Wenn ich mich nicht wegen meiner Eltern zurückhielte, [1] ich hätte längst gekündigt, ich wäre vor den Chef hin getreten und hätte ihm meine Meinung von Grund des Herzens aus gesagt. [2] Vom Pult hätte er fallen müssen! [3] Es ist auch eine sonderbare Art, sich auf das Pult zu setzen und von der Höhe herab mit dem Angestellten zu reden, [4] der überdies wegen der Schwerhörigkeit des Chefs ganz nahe herantreten muß. [5] Nun, die Hoffnung ist noch nicht gänzlich aufgegeben; habe ich einmal das Geld beisammen, um die Schuld der Eltern an ihn abzuzahlen – es dürfte noch fünf bis sechs Jahre dauern – , [6] mache ich die Sache unbedingt. Dann wird der große Schnitt gemacht. [7]

  1. Die Loyalität zu den Eltern wird hier thematisiert und so in Frage gestellt.
  2. Das Ausdrucksbedürfnis des Expressionismus wird in ironischer Brechung angedeutet, indem es ein Käfer ist, der sich »von Grund des Herzens« ausdrücken“ will.
  3. Der Wunsch, sich gegen die mächtige Väter-Generation aufzulehnen, deutet sich in dieser Vernichtungsphantasie an.
  4. Die extremen, unmenschlichen Hierarchien, die das Leben der einfachen Beamten und Angestellten im Untertanenstaat prägen, werden plastisch vor Augen geführt.
  5. Offensichtlich handelt es sich um eine überlebte Generation, die trotz unübersehbarer Schwächen noch immer an der Macht ist.
  6. Gregor befindet sich in einem doppelten Abhängigkeitsverhältnis, indem er eine Schuld der Eltern bei seinem Chef abzutragen hat.
  7. Ein gewaltsames Ende wird herbeigesehnt.

Weitere Autoren

Gottfried Benn (1886-1956)

Else Lasker-Schüler (1869-1945)

Georg Trakl (1887-1914)

Georg Heym (1887-1912)

August Stramm (1874-1915)

Georg Kaiser (1878-1945)

Weitere Werke

Gottfried Benn: »Morgue und andere Gedichte« (1912)

Else Lasker-Schüler: »Die Wupper« (Drama, 1909)

Else Lasker-Schüler: Gedichte

Georg Trakl: Gedichte

Georg Kaiser: »Die Bürger von Calais« (Drama, 1914)

Franz Kafka: »Brief an den Vater« (privater Brief, 1919)

Thomas Mann: »Der Tod in Venedig« (Novelle, 1911)